Berlin, Part II
Nachtrag vom Samstag
Wie lange hab' ich wohl schon nicht mehr so lange geschlafen? Gut, ich war spät im Bett, aber ich wach sonst eigentlich auch immer früher auf. Leckeres Frühstück gibt's, ich kann endlich mal wieder in ner Badewanne baden und - und das war fast noch das Beste am Tag - es gibt eine dicke fett umwerfend ausführliche Tageszeitung. Ich bin eigentlich nicht so der Zeitungsleser. Ich les' sowieso nur das, was mich interessiert. Aber vergleicht mal die Ostseezeitung mit der Berliner Zeitung. Kling ich schon alt, wenn ich sage, dass ich mich 45 Minuten mit der Zeitung beschäftigen konnte? Lassen wir das. Überflutet mit wichtigen weltpolitschen Informationen musste erst mal seichte Ablenkung her. Selbst in Berlin kann ich nicht von meinem Browser-Game lassen, das ist fast schon erschreckend, gerade wenn man bedenkt, mit was für Aufwand das am alten PC meiner Mutter verbunden ist. Eigentlich sind sowieso alle anderen PC's scheiße, außer meiner, den ich liebevoll Anna getauft hab. Der PC hier auf Arbeit hat nen Bildschirm, es ist ne wahre Freude... s, x und z sind quasi völlig identische Pixelhäufchen. Anna dagegen ist schnell, verlässlich und wenn ich 'n neues Laufwerk einbaue brauch ich nicht eine Schraube. Unkompliziertheit ist was feines.
Nur leider ist das Leben selten so schön unkompliziert. Das Beispiel folgte am Nachmittag.
There's no one in town I know
You gave us some place to go.
I never said thank you for that.
I thought I might get one more chance.
What would you think of me now,
so lucky, so strong, so proud?
I never said thank you for that,
now I'll never have a chance.
May angels lead you in.
Hear you me my friends.
On sleepless roads the sleepless go.
May angels lead you in.
Leben und Tod sind oft sehr nah beisammen. Während meine Schwester schwanger ist, und ihr niedlicher kugelrunder Bauch neues Leben verheißt, ist der Mann, den wir im Krankenhaus im Zimmer 210 besuchen, dem Tode näher als irgendjemand den ich kenne. Rasiert, wohlgenährt und mit gewaschenen Haare, währe ich überrascht gewesen, wie wenig man ihm sein Alter ansieht. Doch er liegt einfach nur da und sieht furchtbar aus. Wir haben unsere Abiturfotos dabei, um etwas aus unserem Leben zeigen zu können. Vielleicht auch nur um etwas zu haben das beschäftigt. Ein Mann, der den ganzen Tag im Bett liegt, sich das Geschnarche seines Zimmergenossen mitanhören muss und den ganzen Tag rbb guckt, hat, auch wenn er sich erinnern könnte, nicht viel zu erzählen. Ich habe auch nicht viel zu erzählen, denn es verschlägt mir die Sprache, als ich feststellen muss, dass er mich nicht erkennt. Er ist in der Lage den Zusammenhang zwischen mir und der Person auf dem Foto herzustellen, doch meinen Namen weiß er nicht. Ich denke, er wusste auch nicht, dass ich sein Sohn bin. Es fällt schwer darüber zu reden, denn die Gedanken sind schneller als meine Finger und ziehen davon, bevor man sie begreift. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, es würde mir nichts ausmachen, nur weil ich ihn schon ewig nicht mehr gesehen hab. Man hat nur einen Vater und es ist schon erschreckend, wenn dieser einen vergisst, weil ihm der Alkohol die Erinnerung zerstört hat. Niemand hat soetwas verdient, auch wenn es seine Entscheidung war.
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In eigener Sache:
Ich bin ein Fall-Text. Ich fiel aus den Gedanken. An mir wurde nicht gearbeitet, an mir wurde nicht gefeilt, keine Wörter verschnörkelt, ich wurde nicht korrigiert, mein Ende ist authentisch. Nun steh' ich da und komm alleine nicht wieder hoch. Bin ich deswegen ein schlechter Text?
Wie lange hab' ich wohl schon nicht mehr so lange geschlafen? Gut, ich war spät im Bett, aber ich wach sonst eigentlich auch immer früher auf. Leckeres Frühstück gibt's, ich kann endlich mal wieder in ner Badewanne baden und - und das war fast noch das Beste am Tag - es gibt eine dicke fett umwerfend ausführliche Tageszeitung. Ich bin eigentlich nicht so der Zeitungsleser. Ich les' sowieso nur das, was mich interessiert. Aber vergleicht mal die Ostseezeitung mit der Berliner Zeitung. Kling ich schon alt, wenn ich sage, dass ich mich 45 Minuten mit der Zeitung beschäftigen konnte? Lassen wir das. Überflutet mit wichtigen weltpolitschen Informationen musste erst mal seichte Ablenkung her. Selbst in Berlin kann ich nicht von meinem Browser-Game lassen, das ist fast schon erschreckend, gerade wenn man bedenkt, mit was für Aufwand das am alten PC meiner Mutter verbunden ist. Eigentlich sind sowieso alle anderen PC's scheiße, außer meiner, den ich liebevoll Anna getauft hab. Der PC hier auf Arbeit hat nen Bildschirm, es ist ne wahre Freude... s, x und z sind quasi völlig identische Pixelhäufchen. Anna dagegen ist schnell, verlässlich und wenn ich 'n neues Laufwerk einbaue brauch ich nicht eine Schraube. Unkompliziertheit ist was feines.
Nur leider ist das Leben selten so schön unkompliziert. Das Beispiel folgte am Nachmittag.
There's no one in town I know
You gave us some place to go.
I never said thank you for that.
I thought I might get one more chance.
What would you think of me now,
so lucky, so strong, so proud?
I never said thank you for that,
now I'll never have a chance.
May angels lead you in.
Hear you me my friends.
On sleepless roads the sleepless go.
May angels lead you in.
Jimmy Eat World, Here you me
Leben und Tod sind oft sehr nah beisammen. Während meine Schwester schwanger ist, und ihr niedlicher kugelrunder Bauch neues Leben verheißt, ist der Mann, den wir im Krankenhaus im Zimmer 210 besuchen, dem Tode näher als irgendjemand den ich kenne. Rasiert, wohlgenährt und mit gewaschenen Haare, währe ich überrascht gewesen, wie wenig man ihm sein Alter ansieht. Doch er liegt einfach nur da und sieht furchtbar aus. Wir haben unsere Abiturfotos dabei, um etwas aus unserem Leben zeigen zu können. Vielleicht auch nur um etwas zu haben das beschäftigt. Ein Mann, der den ganzen Tag im Bett liegt, sich das Geschnarche seines Zimmergenossen mitanhören muss und den ganzen Tag rbb guckt, hat, auch wenn er sich erinnern könnte, nicht viel zu erzählen. Ich habe auch nicht viel zu erzählen, denn es verschlägt mir die Sprache, als ich feststellen muss, dass er mich nicht erkennt. Er ist in der Lage den Zusammenhang zwischen mir und der Person auf dem Foto herzustellen, doch meinen Namen weiß er nicht. Ich denke, er wusste auch nicht, dass ich sein Sohn bin. Es fällt schwer darüber zu reden, denn die Gedanken sind schneller als meine Finger und ziehen davon, bevor man sie begreift. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, es würde mir nichts ausmachen, nur weil ich ihn schon ewig nicht mehr gesehen hab. Man hat nur einen Vater und es ist schon erschreckend, wenn dieser einen vergisst, weil ihm der Alkohol die Erinnerung zerstört hat. Niemand hat soetwas verdient, auch wenn es seine Entscheidung war.
Ich bin ein Fall-Text. Ich fiel aus den Gedanken. An mir wurde nicht gearbeitet, an mir wurde nicht gefeilt, keine Wörter verschnörkelt, ich wurde nicht korrigiert, mein Ende ist authentisch. Nun steh' ich da und komm alleine nicht wieder hoch. Bin ich deswegen ein schlechter Text?
BenniP - 12. Jul, 13:53
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